Das Beratungs- und Aktionszentrum Friedland e.V. (baz) kritisiert die Zustände in der Erstaufnahmeeinrichtung. Die als „Notstand“ deklarierte Situation ist Folge einer jahrelangen Fehlplanung.
In der Erstaufnahmeeinrichtung Friedland sind derzeit mehr als 2100 Geflüchtete untergebracht. Die Menschen müssen in überfüllten Zelten, teilweise nur auf sehr dünnen Matratzen schlafen. Um die 20 Personen teilen sich ein Zimmer, viele schlafen in den Gängen. Dies bedeutet für die Geflüchteten, die häufig traumatisiert in Friedland ankommen, eine extrem stressige Situation: Sie müssen bis zu drei Monate ohne Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten auskommen.
Die medizinische Versorgung ist nicht gewährleistet. Eine ausführliche Erstuntersuchung findet zum Teil erst nach einem Monat statt. Stattdessen werden Neuankommende nur sporadisch nach bestehenden Krankheiten gefragt. Die hygienischen Bedingungen sind aufgrund der hohen Auslastung nicht tragbar und es besteht eine hohe Infektionsgefahr.
„In der Regel warten wir mehr als eine Stunde bei der Essensausgabe. Die Portionen sind zu klein und wir werden nicht satt“, erzählt ein Geflüchteter. Dies ist besonders gravierend im Hinblick auf die Tatsache, dass das Taschengeld meist erst nach einem Monat ausgezahlt wird. Ohne Geld besteht weder die Möglichkeit, selbstständig Essen zu kaufen, noch für einen Moment der Enge zu entfliehen, um mit der Bahn nach Göttingen zu fahren.
Der Alltag der Menschen im Lager besteht aus Warten. Die dürftigen Beschäftigungsmöglichkeiten können nur von wenigen Geflüchteten genutzt werden, dadurch kommt es zu Streitigkeiten und Konkurrenzkämpfen. Bei der Kleidervergabe geht der Streit weiter. Wie ein Geflüchteter im baz auf Nachfrage berichtete, hatte er bisher keinen Zugang zur Kleiderspende und trägt seit einem Monat dieselben Sachen.
Diese Situation ist das Ergebnis einer jahrelangen Fehlplanung. Seit vielen Jahren wollen Politiker*innen nicht wahrnehmen, dass immer mehr Menschen aus verschiedensten Gründen ihre Herkunftsländer verlassen müssen. Der Abbau von Unterbringungsmöglichkeiten und restriktive gesetzliche Rahmenbedingungen sind Ursache der Überbelegung, die nun als Notstandsituation inszeniert wird. Die Leidtragenden dieser verfehlten Politik sind Individuen, die nach Verfolgung und Flucht hier das Recht auf Asyl und ein menschenwürdiges Leben haben.
Das baz fordert die niedersächsische Landesregierung auf, sofortige Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation im Lager umzusetzen und langfristig eine entschiedene Strategie für die würdevolle Unterbringung der Geflüchteten zu entwickeln. Die Berufung auf eine Notstandsituation können wir nicht akzeptieren.
Als konkrete Schritte verstehen wir: ausreichend Nahrung und Kleidung für alle, weniger Wartezeiten, und eine ausreichende Betreuung der Geflüchteten durch mehr Personal. Wir fordern weiter eine bessere sanitäre und medizinische Versorgung und eine kostenlose Nutzung des Nahverkehrs bis nach Göttingen sowie freien Internetzugang für alle, um den Menschen in ihrer ohnehin schon sehr schwierigen Situation wenigstens soziale Kontakte zu Verwandten und Freund*innen sowie Informationen und Orientierung in einer unübersichtlichen Situation zu ermöglichen.